Daniel Kuhn übersieht in seinem übereifrigen Kommentar vollkommen, für wen dieses Buch geschrieben wurde, nämlich für interessierte Laien, keineswegs aber für Fachwissenschaftler, die an methodischen Diskursen oder neuen Ergebnissen interessiert sind. Das Buch will tatsächlich nur "erste Lektüre" sein. Das alles hätte Kuhn im Vorwort erfahren können, das er aber offensichtlich nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Auch die Beschränkung auf die pfälzische Perspektive und die Wahl gerade dieses Zeitraumes (1816-1945) werden begründet. Alternativen sind hier denkbar, waren aber auch seitens des Verlages nicht... gewünscht. Viele weitere Kritikpunkte entbehren daher ebenfalls einer Grundlage oder sind schlicht aus der Luft gegriffen. So wird der Begriff "Präsidialkabinett" durchaus erklärt und dass Hitler die Arbeitslosigkeit bekämpft, steht so nicht im Text. Stattdessen habe ich die NS-Wirtschaftspolitik - auch in ihren Auswirkungen auf die Pfalz - einer kritischen Betrachtung unterzogen. Generell fehlt es Daniel Kuhn offensichtlich an Kenntnissen zu innerpfälzischen Entwicklungen und Besonderheiten, ansonsten hätte er den unberechtigten Vorwurf einer fehlenden abwägenden Darstellung nicht formuliert. Dass Auswirkungen der Reichspolitik auf die Pfalz nicht berücksichtigt seien, ist einfach falsch. Gerade in dem Kapitel über die Weimarer Republik werden reichspolitische Entscheidungen in ihrer Auswirkung auf die Pfalz immer wieder thematisiert. Ferner bleibt der Vorwurf, stilistisch und inhaltlich nachlässig gewesen zu sein, unbelegt. Es gibt tatsächlich einige inhaltliche Ungenauigkeiten und sogar Fehler in meinem Buch, allein Daniel Kuhn nennt sie nicht, weil er sie wahrscheinlich auch gar nicht gefunden hat. Dass der "regionalgeschichtliche Fokus" im Kapitel über die NS-Zeit fehle, kann nur schreiben, wer das Buch nicht aufmerksam gelesen hat. Dort wird über die Mitgliederstruktur der NSDAP in der Pfalz, die Frage, warum die Nazis in der Pfalz besonders stark waren, über Widerstand, über Wahlergebnisse und auch über das Schicksal der pfälzischen Juden berichtet. Lediglich die Formulierung "jüdisches Attentat" ist in der Tat unglücklich und missverständlich, wenngleich der Attentäter sehr wohl auf die schreckliche Lage der Juden polnischer Nationalität innerhalb des Deutschen Reiches hinweisen wollte. Im Ganzen bin ich enttäuscht und verärgert darüber, dass jemand, der mutmaßlich selbst als Lektor arbeitet, nur einen derart oberflächlichen und einseitigen Kommentar zuwege bringt, der, anstatt sich mit dem Buch differenziert und aus der Perspektive derjenigen, für die es gedacht ist, auseinander zu setzen, nur die eigene Gelehrsamkeit feiert. Stefan Schaupp

SCHAUPP, Stefan, Freiheitsbäume. Freiheitsträume. Die Geschichte der Pfalz von 1816 bis 1945. Landeskunde für Neugierige, Leinfelden-Echterdingen 2011 . Diese Geschichte der Pfalz verspricht eine interessante regionalgeschichtliche Lektüre "für Neugierige". Der Band ist konventionell aufgebaut, er umreißt die Geschichte der Pfalz von 1815 bis 1945, stellt die Politik-, die Wirtschafts-, Alltags- und Sozialge- schichte dar. Dabei wird zunächst chronologisch vorgegangen, unterbrochen wird die- se Darstellung durch strukturierte Darstellungen zur Landschaft, Mentalität, Vereinen oder längerfristigen Entwicklungen... wie der Industrialisierung, Technischer Fortschritt und Verkehr. Nach diesen Exkursen wird der Faden der Ereignisgeschichte wieder auf- genommen und vom Hambacher Fest bis zur Revolution, dann zum Kaiserreich, Repu- blik und Besatzung sowie Nationalsozialismus und Zweitem Weltkrieg fortgeführt. Die Darstellung folgt konventionellen Wegen, hält kaum Überraschendes oder Tiefer- gehendes bereit. Im Grunde ist es die Ausbreitung der Sekundärliteratur, die über die Stereotypen der Pfalz kaum herauskommt. So ist die Darstellung des Verwaltungsauf- baus nach 1815 raumgreifend (S. 20), aber wenig aussagefähig. Denn wie die Bevöl- kerung auf den Herrschaftswechsel reagierte, wird nicht gezeigt. An vielen Stellen des Bandes erscheint es als ein Referieren der bekannten Fakten, denen kaum eigene Ak- zente zugestanden werden. Zugleich wird ein erhebliches Vorwissen vorausgesetzt, wenn z. B. HITLERdurch das HINDENBURG-Bonmot als „böhmischer Gefreiter“ tituliert wird, aber offen gelassen wird, daß diesem Ausspruch eine Verwechslung des Geburts- ortes zugrunde liegt (S. 178). Auf S. 171 dagegen heißt es zu BRÜNING: "im März 1930 regierte dessen [HERMANN MÜLLER] Nachfolger Heinrich Brüning von der Zentrumspar- tei mit einem so genannten Präsidialkabinett. Das heißt, der Kanzler regierte mit Not- verordnungen", ohne daß diese näher erläutert werden oder die Problematik dieser Po- litik am Ende der Weimarer Republik erklärt wird. Die Auswirkungen der Reichspoli- tik auf die Pfalz werden überhaupt nicht thematisiert. Die eingeschalteten biographischen Exkurse zu herausragenden pfälzischen Vertretern vermögen zu überzeugen. Allerdings stellt hier der Verlag dem Leser Hindernisse in den Weg, wenn die Exkurse das Kapitel unterbrechen und dabei Wörter trennen. Geschichte ist in diesem Band kein offener Prozeß der Zeitgenossen, sondern wird strikt vom Heute gedacht. Dadurch werden die Handlungsdilemmata der behandelten Personen allerdings nicht zur Kenntnis genommen, ausgehend von den heutigen politi- schen Verhältnissen werden dann die historischen beurteilt. Auch ist der gewählte Rah- men nicht unbedingt einsichtig, denn die zumindest in einem kurzen Abriß hätte auf die pfälzische Identität nach 1945 eingegangen werden können. Denn ob die Geschich- te des XIX. und der ersten Hälfte des XX. Jahrhunderts prägend wirkte oder nicht und welche Bedeutung diese 150 Jahre für die Pfalz noch heute haben, gab es nach 1945 den strikten Bruch oder Kontinuitätslinien, solche Fragen aufzuwerfen und zu skizzie- ren, hätten dem Band ein besseres Ende gegeben. Besonders hervorzuheben sind die Passagen zum Kaiserreich, die in ihren Aussagen doch stark zweifelhaft sind und sich eher in Allgemeinplätzen ergehen, so sind die Sol- daten militaristisch, gehorsam und ordnen sich unter, es ist ihre Generation, der eine "Anfälligkeit für autoritäre und totalitäre Regime anerzogen" wurde (S. 132), sie wer- den also quasi verantwortlich für die Entstehung des Nationalsozialismus gemacht. Diese Darstellung ist mehr als verkürzt, ignoriert die Kaiserreichforschung und ist eher durch die persönliche Meinung des Autors als durch Quellenlektüre belegt. Dem Zwei- ten Weltkrieg werden lediglich zwei Seiten eingeräumt und der Nationalsozialismus zwischen 1933 und 1939 zwar beschrieben, aber ohne besonderen regionalgeschichtli- chen Fokus – abgesehen von Personendarstellungen und parteipolitischen Auseinan- dersetzungen, die Judenvernichtung wird nur mit der Deportation ins Lager Gurs kurz erwähnt – dargestellt wird, was kaum nachzuvollziehen ist. Stilistische und inhaltliche Nachlässigkeiten ziehen sich durch den Band, wenn etwa HITLER die Arbeitslosigkeit bekämpft oder die Katholiken dem "Papst in Rom mehr Respekt bezeugen als dem Kaiser und dem Reichskanzler in Berlin, beides bekannter- maßen Protestanten" und der Autor damit den Vorwurf des Ultramontanismus unre- flektiert übernimmt (S. 123). Einen Höhepunkt erreicht dies im Kapitel zum National- sozialismus, wenn der Ausdruck "ein jüdisches Attentat" (S. 196) den Anschlag HERSCHEL GRYNSZPANS auf den Botschafter ERNST VOM RATHbeschreibt. Insgesamt macht der Band einen disparaten Eindruck, als erste Lektüre zur Pfälzischen Landesgeschichte ist der Band brauchbar, vor allem die Ausstattung und der sehr gün- stige Preis sind hier besonders hervorzuheben. Tiefergehende Einsichten und eine ab- wägende Darstellung der pfälzischen Landesgeschichte sind aber in der angegebenen Literatur leicht zu finden. Daniel Kuhn